Studientag zu Pastoralen Transformationsprozessen zeigt Perspektiven für die Hochschulpastoral auf
In immer mehr Diözesen werden weitreichende pastorale Transformationsprozesse geplant oder bereits umgesetzt. Ob und in welcher Form dabei die Hochschulen ein Ort kirchlicher Präsenz bleiben, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Gut vierzig Hochschulseelsorger*innen, diözesane Verantwortliche und Studierende haben sich am 10. April bei einem digitalen Studientag des Bundesverbandes mit den Perspektiven auseinander gesetzt, die die Hochschulseelsorge in den pastoralen Transformationsprozessen hat.
Pastorale Transformationsprozesse in Hochschul- und Universitätsstädten fordern die Autonomie von Hochschulgemeinden heraus und bieten Chancen für neue Vernetzungen und Kooperationen – auf der Ebene von hauptamtlichen Seelsorger*innen wie auch von ehrenamtlich engagierten Studierenden. Die Ziele einer menschen- und lebensweltorientierten Seelsorge, der caritativen Begleitung und Unterstützung von Studierenden sowie der wahrnehmbaren Präsenz von Kirche im Raum der Hochschulen gilt es, neu auszutarieren.
Mit diesem Ziel hat der Bundesverband Katholische Kirche an Hochschulen e.V. in Zusammenarbeit mit der AG Hochschulpastoral der diözesanen Hochschulreferent*innen am 10. April zu einem digitalen Studientag eingeladen, an dem sich gut vierzig Hochschulseelsorger*innen, diözesane Verantwortliche und Studierende beteiligt haben. Im Austausch von unterschiedlichen Erfahrungen und Betroffenheiten sollten neue Perspektiven eröffnet und Chancen in den Blick genommen werden. Neben einer pastoraltheologischen Auslotung der Herausforderungen bot die Tagung im Rahmen von Workshops Möglichkeiten zu einem vertieften Austausch über exemplarische Kooperationen in verschiedenen Themenfeldern.
Konzept des fluiden Netzwerks
Hochschulpastoral zeichne sich dadurch aus, dass sie nach den gängigen pastoraltheologischen Kriterien weder klar kategorial noch territorial eingeordnet werden könne, so lautete die Eingangsthese des Grazer Pastoraltheologen Prof. Dr. Bernd Hillebrand, der selbst in den 2010er Jahren in Tübingen Hochschulseelsorger gewesen war. Für die mögliche Eingliederung von Hochschulpastoral in große pastorale Einheiten stelle dieser singuläre Charakter eine Herausforderung dar. Als Arbeitskonzept für die Hochschulpastoral der Zukunft sieht Hillebrand das “fluide Netzwerk”, dessen Kommunikationsprinzip die (temporäre) Beziehung sei.
Um in der Flüchtigkeit und in der Säkularität der modernen Hochschulwelt wahrgenommen zu werden, dürfe Kirche nicht als “starker Partner” innerhalb einer Beziehung auftreten. Vielmehr solle sich ihre Präsenz als bedingungsloses, absichtsarmes Dasein in vielfältigen Formen verwirklichen (z.B. Begleiten, Unterstützen, Fördern, Ermöglichen, Freigeben). Mit den Konzepten einer territorialen pfarreilichen Struktur sei das nur bedingt kompatibel. Der Ansatz des fluiden Netzwerks könnte deshalb befruchtend für die neuen großen Seelsorgeeinheiten sein.
Gastliche Hochschulpastoral versus bekenntnisorientierte Ansätze.
Als eine konkrete Form der zukünftigen Hochschulpastoral im “absichtsarmen Dasein” arbeitete Hillebrand Merkmale einer “gastlichen Hochschulpastoral” heraus, deren Ziel es sei, an den heterogenen Bedürfnissen der Studierenden orientiert Begegnungs- und Beziehungsräume aufzubauen. Die Angebote müssten sich an den haupt-, aber auch an den ehrenamtlichen Ressourcen ausrichten. Partizipation und eine hohe Autonomie der Studierenden seien wesentlich; das habe eine geringe Stabilität und eine hohe Pluralität bei den konkreten Angeboten zur Folge. Problematisch werde es, wenn bekenntnisorientierte Ansätze die Angebote dominierten, weil dadurch Pluralität eingeschränkt werde.
Pastorale Transformationen fordern Hochschulpastoral heraus
Die Eingliederung der Hochschulpastoral in große pastorale Räume fordert Hochschulgemeinden (mit intakten partizipativen Strukturen), aber auch hochschulpastorale Einrichtungen (ohne namhafte studentische Mitgestaltung) stark heraus. Die Mehrheit der Teilnehmenden stimmte darin überein, dass eine enge Anbindung der Hochschulpastoral an territoriale, pfarrliche Großgebilde nicht sinnvoll sei und – wie erste Erfahrungen im Erzbistum Freiburg zeigten – zu großen Reibungen und aufwändigen Klärungsprozessen führten.
Die konzeptionellen Eigenheiten der hochschulpastoralen Arbeit (s.o. Prof. Hillebrand) seien kaum kompatibel mit den nach wie vor stark pfarreilichen Paradigmen, die in den Großstrukturen dominierten. In manchen Diözesen zeichnet sich eine Entwicklung ab, in der neben den neu zu bildenden “Großpfarreien” (mit ganz unterschiedlichen Bezeichnungen) weiterhin besondere Aufgabenfelder als “Orte der Kirche” bestehen blieben. Dazu könnte dann die Hochschulpastoral gehören. Einig waren sich alle Teilnehmenden, dass in jedem Fall weiterhin eine fachliche Begleitung und Koordination der Hochschulpastoral bei den Ordinariaten erforderlich sei. Eine große Herausforderung in allen Prozessen stellt natürlich die Verknappung der Personalressourcen dar.
Chancen der Hochschulpastoral wahrnehmen
Als ein zentraler Aspekt für die zukünftige kirchliche Präsenz in der Gesellschaft allgemein und an den Hochschulen im Besonderen stellte sich in den Diskussionen heraus, dass das Glaubenszeugnis und die caritative Tätigkeit stärker als bisher zusammengebracht werden müssen. Mit den psychosozialen Beratungsangeboten, Wohnheimen an vielen Standorten sowie der Unterstützung und sozialen Integration von internationalen Studierenden können die Hochschulgemeinden in dieser Hinsicht für manche Großpfarreien vorbildhaft sein. Auch bezüglich der Begegnung mit nicht gläubigen jungen Erwachsenen weisen viele von ihnen schon Erfahrungen vor.
In einigen Bistümern werden Berührungspunkte zwischen der Arbeit mit Studierenden im Hochschulraum und Angeboten für junge erwachsene Christ*innen in den Blick genommen. Mehrere Beispiele für offene Angebote von KHGn in den Workshops (z.B. Nacht der Lichter in Würzburg, Kunst in der Stadt in Mannheim, Kunstprojekt von René Pachmann in Frankfurt O.) haben hier Möglichkeiten aufgezeigt.
Vernetztes Arbeiten wird in Zukunft wichtiger
Nicht zuletzt angesichts des knapper werdenden Personals müssen manche Aufgaben der Hochschulpastoral zukünftig stärker in Zusammenarbeit mit anderen kirchlichen Stellen angegangen werden: etwa in Kooperation mit Caritas Einrichtungen bei der Beratung, gemeinsam mit der Citypastoral oder mit Akademien oder Bildungswerken bei niederschwelligen kulturell-religiösen Veranstaltungen oder mit spezialisierten Seelsorger*innen für außergewöhnliche spirituelle Übungen. Für die Anbahnung und Entwicklung von solchen Kooperationen können die neu gebildeten großen pastoralen Räume tatsächlich gute Rahmenbedingungen bieten. Gleichzeitig wurde betont, dass die fachliche Vernetzung, die in den Diözesen möglicherweise weniger intensiv sein wird, in jedem Fall durch den Bundesverband weiter bereitgestellt und dienstrechtlich eine Freistellung gewährleistet werden müsse.
Fazit: Hochschulgemeinden brauchen in großen Einheiten weiter hohe Eigenständigkeit
Der Studientag machte insgesamt deutlich, dass Hochschulpastoral durchaus einen guten Platz im Kontext von großen pastoralen Einheiten einnehmen kann. Wie dieser Platz in Zukunft aussieht, hängt stark von den sehr unterschiedlichen Gesamtkonzepten der einzelnen Diözesen ab. Hochschulpastoral kann mit ihrem spezifischen Profil einer fluiden uneigennützigen Netzwerkarbeit und der starken Verknüpfung von Glaubenszeugnis und caritativem Wirken starke Impulse in die territoriale Seelsorge der (größeren) Städte bringen.
Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden war sich aber einig, dass Hochschulpastoral als ein eigenständiger “Ort” der Kirche konzipiert werden sollte, der nicht integraler Bestandteil einer territorialen Pfarrstruktur ist. Dies scheint nicht nur aus der binnenkirchlichen Pastoralperspektive sinnvoll, sondern ist aus der Perspektive der Hochschulen und Hochschulleitungen geradezu erforderlich, denn diese akzeptieren die kirchliche Präsenz in ihrem – weltanschaulich neutralen – Raum immer öfter nur noch in einer uneigennützigen, allen Studierenden offenen Form.
Tagungsformat findet Zuspruch
Das Tagungsformat eines offenen digitalen Austausches von Hochschulseelsorger*innen, diözesanen Verantwortliche und Studierenden fand guten Anklang. Insbesondere der starke Fokus auf die praktische Arbeit und die vielfältigen Austauschmöglichkeiten nach dem Hauptvortrag und mit den Workshop Beispielen wurden von den Teilnehmenden geschätzt.
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