Queersensible Seelsorge

Queersensible Hochschulseelsorge

Christine Schardt, Pastoralreferentin der KHG Mainz, setzt sich als Dozentin und Hochschulseelsorgerin insbesondere auch für Themen der Queersensiblen Pastoral ein. Im Interview mit dem Bundesverband erklärt sie, was es damit auf sich hat und wieso queersensible Seelsorge und Safer Spaces so wichtig sind.

Was ist „Queersensible Seelsorge“?

Der Begriff queer ist offen, uneindeutig, schillernd, fragmentarisch und prozesshaft und dies ist auch bewusst so gewollt. Er wendet sich gegen festgeschriebene Kategorien und gegen die scheinbar naturgegebenen Normen von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit. Queer setzt einen Akzent und bricht das Festgefahrene auf.

Queersensible Seelsorge lädt uns ein, zu neuem vielfältig buntem Leben als geliebte und genauso gewollte vielfältige Geschöpfe G*ttes (das Sternchen im Wort Gott macht einerseits  auf den kategorialen Unterschied zwischen Gott und den Dingen dieser Welt aufmerksam, andererseits soll es aufzeigen, dass das Gechlecht G*ttes nicht festzulegen ist, A. d. R.) in all unserer wunderbaren Einzigartigkeit. Wir alle sind ein Segen und Gesegnete, gerade weil wir so sind wie wir sind – unabhängig, oder besser gesagt, gerade aufgrund unserer je eigenen geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung.

Queersensible Seelsorge ist ein solidarisches Begleiten von Menschen, und keine neutrale Beschäftigung. Es bedeutet, mit Menschen auf dem Weg zu sein. Vor allem mit Menschen, die in schwierigen Situationen sind, die Leid und Unrecht erfahren oder erfahren haben. Queersensible Hochschulseelsorge fordert eine Haltung der Solidarität, des Einstehens mit meiner ganzen Person und manchmal auch des Widerstandes gegen strukturelle und gesellschaftliche Unrechtssituationen.

Motto der KSG Mainz
Das Motto der KHG Mainz

Wo hast du/ habt ihr den Bedarf konkret gemerkt? Wie zeigt sich euer Angebot?

Der Bedarf einer offenen und queersensiblen Seelsorge ist bei vielen Begegnungen mit den Menschen im seelsorglichen wie im hochschulpolitischen Kontext deutlich geworden: vor allem in Einzelgesprächen und Begleitungen, aber auch im Austausch mit dem Asta Queerreferat und in der Vernetzung mit anderen queeren Communities vor Ort, im internationalen Kontext und der ökumenischen Zusammenarbeit.

Wir sehen diesen Bedarf und zeigen den Menschen unsere Offenheit und Wertschätzung. Wir bieten Safer Spaces an und sind ansprechbar. Wir zeigen: Hier ist ein queersensibler Raum, hier kann sich jede*r diskriminierungsarm und frei bewegen, hier sind wirklich alle willkommen, alle gehören dazu. Auch nichtbinäre, trans* oder intergeschlechtliche Personen, denn jeder Mensch ist G*ttes Ebenbild (Gen1,27f).

Dies signalisieren wir durch sichtbare Zeichen, die sehr entscheidend sind: z.B. ein Regenbogen zu einer Veranstaltung im Programmheft oder auf meinem Pullover bei Veranstaltungen, ein Ostergruß auf der Homepage in Regenbogenfarben, eine queersensible Veranstaltung im Semesterprogramm und vieles mehr. Durch diese Signale nehmen Menschen wahr: Hier sind Menschen, die ansprechbar sind und queersensibel arbeiten.

Flyer der KHG Mainz© ESG & KHG Mainz
Beispiel eines Angebots der KHG

Was zeichnet diesen Bereich der Pastoral aus? Was braucht es dafür?

Wichtige Aspekte, die queersensible Seelsorge auszeichnen, sind eine generelle Offenheit und das Angebot eines Safer Spaces.

Das allein wäre natürlich zu wenig. Das weitläufige Image der katholischen Kirche lässt Menschen gegen uns bzw. gegenüber der katholischen Kirche noch immer berechtigt zweifeln. In diesem Bereich der Seelsorge sind wir in einem Prozess. Es geht darum wirklich ehrlich zu sein, kein Pinkwashing (aus Image-Gründen vorgegebene, nicht ehrliche Solidarisierung mit der LGBTQ*-Bewegung, A. d. R.) zu betreiben, und anzuerkennen, dass es eine Unrechtsgeschichte gab und wir als Kirche Teil dieser Geschichte waren und noch sind. Wichtige Elemente konkret vor Ort sind eine gute Erzählkultur: erzählen, zuhören, wertschätzen, Storytelling, Biblisches überdenken, gemeinsam die Bibel neu queer lesen. Die aufgrund dieses und des wissenschaftlichen Kontextes gewonnenen, biblisch fundierten queertheologischen Argumente wirken dem Spiel mit menschfeindlichen Ressentiments entgegen und erteilen der Instrumentalisierung religiöser Motive eine klare Absage.

Was wir tun können und was diesen Bereich der Seelsorge auszeichnet, ist eine Solidarität und eine empathische Haltung im Begleiten von Menschen in unseren Hochschulkontexten. Das heißt einerseits, mit den Menschen auf dem Weg zu sein, anderseits aber auch politisch dieses Thema zu verfolgen.

Auf welche Probleme/ Hindernisse/ Herausforderungen/ Hürden seid ihr bei der Umsetzung gestoßen und wie habt ihr sie überwunden?

Hindernisse gab es in der Tat in Fülle, denn es gibt immer wieder Menschen, die „Ewig-Gestrigen“, die sich nicht weiterbewegen wollen. Glücklicherweise hatten wir Rückenwind durch unser Bistum Mainz. Ein guter Tipp für queersensible Seelsorge ist, nicht allein auf dem Weg zu sein, um sich gegenseitig zu unterstützen. Zusammen mit meiner ökumenischen Kollegin sind wir zusammen in diesem Thema unterwegs und haben uns gut vernetzt: es gibt einen runden Tisch in Mainz an dem wir als Hochschulpastoral auch zusammen mit nicht-kirchlichen Organisationen und mit NGOs zusammenarbeiten können. Unerlässlich ist dabei auch die Vernetzung mit den FLINTA*-Netzwerken, auf kommunaler und auf Landesebene.

Warum brennt dein Herz für Queersensible Seelsorge?

Es macht mich wütend, wenn sich jemand herausnimmt, über andere zu urteilen oder andere zu verurteilen. Positiv gesprochen: Es liegt nur an uns Menschen wie wir miteinander umgehen. Das heißt aus der christlichen Haltung heraus, wir müssen Vor-Urteilen solidarisch in Worten und Taten entgegenstehen. Im Brief an die Menschen in Galatien (Gal 3,26-29) steht:

Ihr seid alle durch den Glauben Kinder Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid eins in Christus Jesus. Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erb*innen kraft der Verheißung.

In einer queersensiblen Seelsorge fordern wir unser Recht, das hier verbrieft ist und das wir alle durch die Taufe erhalten haben. Wir alle sind Kraft der Taufe die rechtmäßigen Erb*innen der Verheißung. Ich und wir alle haben also ein Recht auf dieses Erbe. Dieses Recht kann uns niemand absprechen oder nehmen. Es ist unsere Aufgabe, dieses Erbe anzunehmen und solidarisch und friedvoll mit allen Menschen, allen Geschöpfen und unserer Schöpfung zu leben. Ich lasse mir dies nicht nehmen! Wir lassen uns unser Recht nicht nehmen, egal ob männlich, weiblich, nichtbinär, trans*, inter* oder alle dazwischen.

Christine Schardt mit ihrer ESG-Kollegin Dr. Kerstin Söderblom

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