Kleines Pflänzchen wächst aus ein paar Geldmünzen

Gemeinsamer BAföG-Appell: Fördersätze erhöhen und Strukturreform jetzt angehen

Der Bundesverband Katholische Kirche an Hochschulen unterzeichnet mit weiteren Organisationen den folgenden Appell an die Bundesregierung und den Bundestag.

Berlin, 10. November 2023. Wir appellieren gemeinsam an die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag, die im Koalitionsvertrag angekündigte, grundlegende Strukturreform des BAföG jetzt endlich anzugehen und eine spürbare Anhebung der geltenden BAföG-Sätze bereits im Bundeshausaushalt 2024 zu verankern. Andernfalls droht dieses Instrument für mehr Bildungsgerechtigkeit bald gänzlich seine Funktion zu verlieren. Die gegenwärtige Förderarchitektur sorgt dafür, dass immer weniger Studierende von der staatlichen Ausbildungsunterstützung profitieren. Zugleich werden die aktuellen Fördersätze der Lebenswirklichkeit der Studierenden angesichts rasant steigender Mieten, Energiepreise und Lebenshaltungskosten längst schon nicht mehr gerecht.

Unsere Gesellschaft ist heute mehr denn je auf hochqualifizierte, wissenschaftlich gebildete Fachkräfte angewiesen, um den zahlreichen existenziellen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Daher ist es unumgänglich, den Studierenden Bedingungen zu geben, die es ihnen ermöglichen, sich auf diese Verantwortung angemessen vorzubereiten. Wer finanzielle Existenzsorgen hat, kann sich nicht auf ein anspruchsvolles Studium konzentrieren. Die Ausbildungsförderung des Bundes ist eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft.

Das BAföG ist zudem das zentrale Instrument für größere Bildungsgerechtigkeit im Bildungssystem, das in Deutschland nach wie vor von zu hoher Selektivität gekennzeichnet ist. Diese Bedeutung des BAföG droht nun gänzlich verloren zu gehen, wenn die als richtig erkannte und von der Koalition angekündigte Strukturreform jetzt nicht rasch und beherzt umgesetzt wird. Das sieht auch der Bundesrechnungshof so, der zurückliegende Nachbesserungen stets als unzureichend kritisiert hat.

Immer noch finden zu wenige Heranwachsende aus den unteren Einkommensgruppen, häufig aus Familien, in denen kein Elternteil ein Hochschulstudium absolviert hat, den Weg an die Hochschule. Die Offenheit und Pluralität einer Gesellschaft müssen sich aber gerade auch in den Hochschulen als dem Herz ihres Wissenschaftssystems abbilden.

Die neue, 22. Sozialerhebung zeigt: 37 % der Studierenden verfügen im Monat über weniger als 800 Euro – das sind nochmal 60 Euro weniger, als zum Erhebungszeitpunkt im Sommer 2021 als Richtlinie für den Elternunterhalt vorgegeben war. Aber nur noch 11 % der Studierenden erhalten BAföG. Das ist ein Allzeit-Tief. Das BAföG scheint seine ureigene Zielgruppe, diejenigen, die es am dringendsten benötigen, nicht mehr ausreichend zu erreichen.

Es ist höchste Zeit, das BAföG wieder als Herzstück der Studienfinanzierung zu stärken. Das BAföG muss zum Leben reichen, damit eine Konzentration auf das Studium möglich ist, und es muss endlich wieder mehr Studierende erreichen. Deswegen brauchen wir endlich die versprochene BAföGStrukturreform.

Wir appellieren an die Bundesregierung, die Strukturreform des BAföG jetzt anzugehen und die für 2024 geplanten Kürzungen der Haushaltsmittel beim BAföG nicht umzusetzen. Und wir appellieren an den Deutschen Bundestag, beim Bundeshaushalt 2024 BAföG-Kürzungen zurückzunehmen, damit eine kurzfristige Erhöhung der Fördersätze möglich wird.

Konkret fordern wir:

  • Eine sofortige deutliche Anhebung des BAföG-Grundbedarfs, der Wohnkostenpauschale und der Elternfreibeträge: Die Bundesregierung hat den Grundbedarf beim Bürgergeld auf 563 Euro ab den Jahr 2024 festgelegt. Dies ist nach Auffassung der Regierung das Existenzminimum. Der BAföG-Grundbedarf von derzeit 452 Euro im Monat liegt deutlich unter diesem Minimum. Studierende essen, trinken und heizen aber nicht weniger als andere Menschen. Sie sind auch keine Bürgerinnen zweiter Klasse. Deshalb bedarf es einer schnellen Angleichung. Mit der BAföG-Wohnkostenpauschale von derzeit 360 Euro im Monat kann man sich in nahezu sämtlichen Hochschulstädten kaum ein WG-Zimmer leisten. Diese Pauschale muss deutlich steigen. Auch die Elternfreibeträge sind im Jahr 2023 anzupassen, damit mehr als 11 % aller Studierenden das BAföG bekommen können.
  • Eine echte BAföG-Strukturreform: Fast 40 % aller Studierenden haben laut BAföG-Bericht der Bundesregierung von vornherein keine Chance, BAföG zu bekommen – und zwar vollkommen unabhängig davon, über wie wenig Geld sie verfügen, weil sie das Studienfach gewechselt haben, die Regelstudienzeit überschreiten oder aufgrund von Care-Verpflichtungen auf ein Teilzeitstudium angewiesen sind. Das zeigt: Das BAföG ist über einen zu langen Zeitraum nicht an die veränderten Lebenswirklichkeiten angepasst worden.

Unterzeichner:innen: Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Deutsches Studierendenwerk (DSW), freier zusammenschluss von studentinnenschaften (fzs), Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen (LHG), Juso-Hochschulgruppen, Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), Die Linke.SDS, Universität Hildesheim, Universität Konstanz, Bundesverband Katholische Kirche an Hochschulen, Verband der Evangelischen Studierendengemeinden in Deutschland (ESG), Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)

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