Hände halten kaputten und ganzen Spiegel

Zwischen Machtgebrauch und Machtmissbrauch: Kritischer Blick auf spirituelle Akteure und spirituelles Handeln im Raum der Hochschulen

Bonn / Siegburg

Die anhaltende innerkirchliche Debatte über Missbrauchserfahrung, Vertuschungsgewalt und Schutzkonzepte war Ausgangspunkt für die bundesweite Herbsttagung der Hochschulseelsorger*innen in Deutschland, die vom 12. bis 14. September in Siegburg stattfand. Unter dem Titel „Missbrauch #Macht Gebrauch“ befasste sich die Tagung mit der Frage, wie in der Arbeit mit jungen Erwachsenen verantwortlich mit Macht umgegangen werden kann. Mara Klein und Lukas Nusser, zwei junge Mitglieder des Synodalen Weges, zeigten in eindrücklichen Berichten, wie groß in der katholischen Kirche das Machtgefälle erfahren wird. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass Machtdynamik durchaus umkehrbar sei.

Johanna Beck, Sr. Marie Pasquale Reuver und Hildegund Keul beschrieben aus unterschiedlichen Perspektiven Strukturen, Handlungsmuster und die zerstörerischen Auswirkungen von spirituellem Missbrauch, der vornehmlich in neuen geistlichen Gemeinschaften zu beobachten sei. Sie riefen deshalb zu einem wachsamen Umgang mit spirituellen Akteuren im Raum der Hochschulen auf. Die Tagung diskutierte darüber, ob und wie Hochschulgemeinden und -zentren zur Stärkung der Resilienz von jungen Menschen gegen Erfahrungen spirituellen Missbrauchs beitragen können.

„Meine Erfahrung im Umgang mit Studierenden zeigt mir, dass junge Erwachsene öfter als wir denken in der Entwicklung ihres Glaubens Opfer werden von spirituellen Praktiken und Lehren, die ihr Selbstwertgefühl beschädigen und sie in der Entwicklung einer freien Persönlichkeit stören“, berichtet Sr. Marie Pasquale Reuver, Hochschulseelsorgerin in Stuttgart-Hohenheim. „Ich sehe unsere Aufgabe auch darin, junge Menschen widerstandsfähig zu machen oder vielleicht besser resilient gegenüber jeder Form von spiritueller Bevormundung im Raum unserer Kirchen. Dabei geht es darum, ihr Wissen um die Grundlagen unseres Glaubens zu erweitern und sie zu befähigen, sich ein reflektiertes Urteil über ihre Gottesbeziehung zu entwickeln.“

Professorin Hildegund Keul, die sich seit Jahren wissenschaftlich mit der Frage des Umgangs mit Missbrauch und Macht in der katholischen Kirche befasst, wies auf die Bedeutung des Themas Sexualität in diesem Kontext hin. „Ich meine, Kirche hat aufgrund ihrer aktuellen Schuldgeschichte kein Recht, sich in irgendeiner Weise beschuldigend in die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen einzumischen. Das trifft in besonderem Maß bei jungen Erwachsenen zu. Es schließt aber nicht aus, dass Seelsorger*innen, die von Menschen um Rat gebeten werden, zu Fragen der Sexualität ethische Kriterien aufzeigen, die in einer gleichberechtigten Partnerschaft wichtig sind.“

In einigen wenigen Hochschulgemeinden in Deutschland haben Bischöfe die Hochschulseelsorge an eine neue geistliche Gemeinschaft übertragen oder an missionarische Bewegungen. „Hier ist aus unserer Sicht größte Wachsamkeit gefordert“, meint Burkhard Hose, Hochschulseelsorger in Würzburg. „Diese Bewegungen weisen Eigenschaften auf, die für das Entstehen von geistlichem Missbrauch förderlich sind: starke geistige Gefolgschaft, ausgeprägte Unterordnung eigener Bedürfnisse gegenüber angeblichen Anforderungen des Glaubens, elitäres Sendungsbewusstsein der Gemeinschaft und ihrer Leitung. Manchmal denke ich, hier ist geistlicher Missbrauch geradezu vorprogrammiert.“

„Aus diesem Grund haben wir uns heute als bundesweiter Zusammenschluss dafür entschieden, gemeinsam Standards zu entwickeln für eine spirituelle Begleitung und religiöse Bildung von jungen Erwachsenen im Hochschulkontext“, hält Christine Schardt fest, Vorsitzende der Konferenz der Hochschulseelsorger*innen. „Dabei sind für uns Kriterien eines selbstverantworteten Glaubens und einer selbstbestimmten Spiritualität leitend.“

Diese Pressemeldung liegt hier zum Download.

Christine Schardt (Vorsitzende der Hoschulseelsorger*innen):   
Burkhard Hose: 
Sr. Marie Pasquale Reuver:
Dr. Lukas Rölli (Geschäftsführer):        0163 – 339 2367

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Featured image: Jeremy Yap/unsplash.com